Wenn die Glocke vom Schulhaus die wohlverdiente Mittagspause einläutet, dann macht es gefühlt „wusch“ und die Kids stehen hungrig in der Küche. Nicht selten höre ich bereits mit dem Öffnen der Haustüre ein „Mami…“ und dann wird das Dringendste verbal abgeladen, auch wenn ich vor lauter Dampfabzug und Gebruzzel im oberen Stock die Hälfte vom Gesagten nicht verstehe. Dieses engagierte Erzählen zieht sich von allen Seiten durch das gesamte Mittagessen.
Karma Freitag
So sitzen wir kurz vor Ostern am Mittagstisch. Das eine Kind, das sich gerade ein Zipfel von wertvoller Sprech-Zeit ergattert hat, verkündet stolz und glücklich, dass es herausgefunden hat, dass am Freitag vor Ostern schulfrei sei.
„Ja klar, Karfreitag“, schiesst es mir durch den Kopf. Ob das Kind den Grund für den zusätzlichen freien Tag wohl auch kennt? Ich frage nach. Das Kind erklärt in einer Selbstverständlichkeit, es sei wegen „Karma-Freitag, oder so…“.
Das Gelächter am Mittagstisch ist gross. Ja, auch Pfarrkinder haben das mit diesen christlichen Feiertagen nicht immer ganz im Griff…
Karma?
Lange, nachdem die Kids wieder in die Nachmittagsschule abgezottelt sind, studiere ich noch an diesem Begriff rum.
Karma-Freitag. Irgendwie amüsant.
Karma ist tatsächlich geläufiger in unserem Sprachgebrauch als „Kar“.
Ich höre „Karma!“ immer wieder belustigend, wenn jemandem etwas misslingt. Und der Detailhändler Coop hat sogar eine gesamte Produktlinie nach „Karma“ benannt.
Ursprünglich jedoch beschreibt Karma ein fernöstliches spirituelles Konzept, bei dem jede Handlung eine unweigerliche Folge hat. Es ist wie ein unsichtbares Konto, auf dem alle meine Handlungen verbucht werden. Salopp gesagt: Tust du Gutes, widerfährt dir Gutes und deine guten Taten werden dir auf deinem Karma-Konto gutgeschrieben. Tust du jedoch Schlechtes, werden dir Punkte abgezogen und du wirst auch diese Folgen spüren. Diese Karma Bilanz hat nicht nur Auswirkungen auf dein jetziges, sondern auch auf spätere Leben.
Im Gegensatz zu Karma, muss ich selbst zuerst googeln, was denn „Kar“ überhaupt bedeutet. Und finde heraus: Kar kommt vom Althochdeutschen Wort „Kara“ und meint „Wehklage“ oder „Trauer“. Im Englischen spricht man spannenderweise gegenteilig vom „Good Friday“: schon ankündigend, dass etwas Gutes aus dem Tod von Jesus entstehen wird.
Und Gnade?
Die Botschaft von Karfreitag und Ostern könnte nicht weiter weg sein von der Botschaft von Karma.
Die Bibel – und gerade besonders Ostern – lehrt kein Karma. Sondern Gnade. Und zwar radikal. Skandalöse Gnade, wie Dietrich Bonhoeffer sie in seinem Werk „Nachfolge“ nennt.
Gnade bedeutet, dass wir etwas bekommen, dass wir uns nicht selbst verdient haben. Egal wie fest unser Konto im Minus ist: Gnade überwiegt.
Wir können uns diese Gnade jedoch auch nicht mit guten Taten verdienen oder unser Konto damit aufbessern. Gnade ist unverdiente Gunst. Ein Geschenk von radikaler Liebe, totaler Annahme und Barmherzigkeit.
Ein Geschenk, das ich annehmen darf.
Bonhoeffer beschreibt, dass es sich dabei jedoch auf keinen Fall um billige Gnade handelt. Der hohe Preis für diese Gnade wird uns an Karfreitag bewusst, wenn Jesus am Kreuz stirbt.
Karma oder Gnade?
Gnade steht diametral zu Karma, wo ich mein Schicksal quasi selbst in der Hand habe. Wo ich, wenn ich es zu Ende denke „meines eigenen Glückes Schmied“ bin. Und damit in die Gefahr laufe, dass meine guten Taten angetrieben sind aus der Furcht, dass es nicht reichen könnte. Dass ich nie genau weiss, ob ich genüge. Und mich in Frage stelle, wenn mir etwas Schwieriges widerfährt.
Die Bibel ist voll von Menschen in schwierigen Momenten. Sie anerkennt, dass diese zu einem vollumfänglichen Leben dazugehören. Bei jedem Menschen.
Gottes Gnade lehrt uns, dass wir Menschen vieles nicht selbst in der Hand haben. Uns jedoch in jedem Moment von liebenden Händen getragen wissen dürfen.
Mein „Konto“ ist bereits beglichen. Ich erhalte einen Vorschuss und darf mich Gott anvertrauen. In jedem Moment. Auch wenn ich mich nicht würdig fühle. Fehler mache. Selber unbarmherzig bin.
Das ist ein Geschenk. Das ist Karfreitag. Und eben nicht Karma Freitag :-).
Mein Leben darf ein Antwortversuch auf diese Gnade sein. Der hoffentlich auch anderen Menschen zum Segen werden kann.
„Der Herr ist gnädig und barmherzig, geduldig und voller Gnade.
Der Herr ist gut zu allen Menschen und barmherzig zu seiner ganzen Schöpfung.“
Psalm 145, 8+9
2 Antworten
Liebe Janine
Das hast du so gut geschrieben. Ja, die Gnade ist ein unverdientes Geschenk und damit man sie begreift, muss man sie schon erlebt haben….
Liebe Rahel
Danke für deine Rückmeldung zur Gnade! Und schön, wenn du sie erleben darfst 🙂
Herzlich, Janine