Schatten im Leben

6 Wochen Sommerferien. 4 quirlige Kinder. 30 Grad Celcius. Und Besuch aus den USA, denen wir unser wunderschönes Land zeigen wollten. Und wo tut man das am besten, wenn nicht auf einem Bergspitz mit atemberaubender Aussicht!

Wir entschieden uns für eine Wanderung zum wunderschönen Niederbauen Chulm (was übrigens ein suuuuper Ausflugstipp ist!). Mit 6 Kindern im Schlepptau bei dieser Bärenhitze, war das im Nachgang vielleicht tatsächlich nicht die beste Idee, die wir je hatten. Dennoch wurde unser Aufstieg mit einer Aussicht belohnt, die es in sich hatte.

Die Aussicht vom Niederbauen Chulm

Vor der grossen Mittagshitze machten wir uns wieder auf den Rückweg und stiegen den schmalen, steinigen Weg dem Abgrund entlang, über Naturwiesen und Kuhweiden wieder hinunter.

Die Sonne im Rücken, warfen unsere Körper dunkle Schatten auf den Weg. Zeitweise lag mein eigener Schatten so ungünstig vor mir, dass es schwierig war, die Steine und «Alpenpizzen» vor mir am Boden zu erkennen. Es erforderte viel Konzentration, damit ich nicht stolperte und sicheren Trittes weiter gehen konnte. Anstatt die Umgebung um mich herum wahrzunehmen und zu geniessen, war ich auf meinen eigenen Schatten fokussiert.

Ich stand mir gewissermassen selbst im Weg.

Sich selbst im Weg stehen

Ab dieser Erkenntnis musste ich mitten in der brütenden Hitze auf dem schmalen Wanderweg vor mich hin schmunzeln.

Ist es nicht genau so im Leben? Wie oft stehe ich mir selbst im Weg und beraube mich um schöne Erlebnisse.

Mit Schatten aus meiner Vergangenheit, die einen dunklen Filter über den Weg vor mir legen. Sich urplötzlich vor oder neben mich drängen und stärken scheinen, als all die Sonnenstrahlen rund herum.

Die warme Dusche

Ich mag mich an ein Erlebnis aus meiner Zeit als Jungscharleiterin erinnern. Wir hatten ein tolles Team und waren alle gut miteinander befreundet. An einer Leitersitzung ging es darum, dass wir einander eine «warme Dusche» gaben. Für jeden Jungscharleiter war ein Zettel vorbereitet und alle schrieben bei jedem anonym drauf, was diese Person ausmacht und was sie besonders gut kann. Am Schluss hielten wir gespannt die Zettel, gefüllt mit Komplimenten in der Hand. Was ein ermutigender Moment hätte werden sollen, endete bei mir in einer tiefen Ernüchterung.

Jede einzelne Person hatte über mich etwas in die Richtung aufgeschrieben, dass ich einen guten und coolen Kleidungsstil hätte… Auch wenn ich mir bewusst war, dass sie das aufrichtig und tatsächlich als Kompliment meinten, machte es mich traurig, dass das offensichtlich das scheinbar einzige war, was man mit mir assoziierte. Nichts von «mit dir kann man tiefe Gespräche führen», «du bist immer für andere da», oder «du bist ein Vorbild» oder was immer ich sonst noch gerne gehört hätte. Nope. Einfach oberflächliche Äusserungen über mein Erscheinungsbild. Aua.

Nach diesem Erlebnis rang ich ziemlich mit mir und meiner Persönlichkeit. Der Schatten, der da plötzlich vor mir lag, stand mir im Weg, das Gute zu sehen, was Menschen sonst noch über mich sagten.

Weshalb sie nicht für meine Schatten verantwortlich sind

Es wäre nun einfach, auf «die Anderen» zu zeigen und ihnen Oberflächlichkeit anzukreiden. Ich könnte getrost in eine Opferrolle sinken und sie wären die Bösen. Aber das greift viel zu wenig weit. Denn meine Freunde wussten ja nicht, dass ich ihre gut gemeinten Komplimente schlussendlich negativ bewertete.

Dieses Erlebnis zeigt so wunderbar auf, dass manchmal auch Schatten auf unsere Leben geworfen werden, ohne dass jemand eine böse Absicht dahinter hatte.

Aber es traf mich in einer meiner grössten Unsicherheiten: wer bin ich, wenn es über Oberflächlichkeiten hinausgeht? Wer sieht mich für mehr, als ich äusserlich bin?

Da ist diese fiese Stimme in mir, die mir vor Augen führen möchte, was ich alles nicht kann und nicht bin. Wo ich nicht genüge. Wo andere besser, schöner und erfolgreicher sind. Sie verunsichert mich in meiner Identität.

Dieser Stimme gibt die Bibel einen Namen: In der Offenbarung (12,10) ist in einem Nebensatz geschrieben, wie Satan der Ankläger ist, der uns Tag und Nacht verklagt. Diese Stimme kann uns fertig machen und grosse Schatten auf unser Leben werfen, wenn wir sie nicht entlarven und sie in die Schranken weisen.

Ich merke aus eigener Erfahrung, wie das ein riesiger Kraftakt ist, wenn man sich aus eigenem Antrieb immer wieder gute Gedanken zusprechen muss. Mir ist diese «du musst nur positiv denken und alles wird gut»- Masche ein wenig zu einfach, da ich merke, wie Identität tief an unser Lebensfundament geht und das kann man nicht einfach oberflächlich behandeln.

Mein Fundament

„Denn ich weiß wohl, was ich für Gedanken über euch habe, spricht der HERR: Gedanken des Friedens und nicht des Leides, dass ich euch gebe Zukunft und Hoffnung.“ (Jeremia 29,11)

„Ich habe dich je und je geliebt.“ (Jeremia 31,3)

„Nichts kann dich jemals von meiner Liebe trennen.“ (Römer 8,38-39)

Dies sind einige der guten Gedanken, die Gott über mich denkt. Denen will ich mich bewusst aussetzen und sie mir zusprechen lassen. Sodass sie tief in meinem Lebensfundament gegründet sind.

Damit die Stimme des Anklägers in mir immer leiser wird. Weil Gottes Stimme sie übertönt.

Um zu meinem Bild zurückzukehren, könnte man sagen, dass ich mich auf meinem Lebensweg immer mehr zur Sonne ausrichten lassen möchte. Dem, was mir Wärme ins Leben gibt. Denn wenn ich mich der Sonne zuwende, dann fällt der Schatten automatisch in meinen Rücken. Er ist nicht weg, aber er versperrt mir nicht die Sicht auf das Grossartige, was vor und um mich liegt.

auf dem Weg
unsere Wandergruppe auf dem Niederbauen Chulm

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