O du Fröhliche – oder eben nicht

So richtig will sie dieses Jahr nicht bei mir ankommen, die Weihnachtsvorfreude. Trotz „O du Fröhliche“ und anderer Weihnachtsmusik, die seit Tagen in voller Lautstärke aus dem Lautsprecher in unsere Stube dröhnt. Trotz den freien Tagen, die es mir erlauben, einfach mal in den Tag hinein zu leben und Zeit mit den Kindern zu geniessen. Und trotz eben diesen Kindern, die seit Tagen freudig und aufgeregt durch das Haus wirbeln und mit ihrem Weihnachts-Vibe gute Stimmung verbreiten und das Fest kaum erwarten können.

Ich lasse mich ein auf ihre Ausgelassenheit. Möchte mich anstecken lassen vom Weihnachts-Spirit. Schwinge das Tanzbein irgendwo zwischen Justin Biebers «Mistletoe» und Mariah Careys «All I want for Christmas» in Endlosschleife und schaue kitschige Weihnachtsfilme mit meinen Bald-Teenies.

Und doch erreicht die Freude mein Herz nicht ganz.

Immer wieder legt sich ein Schatten auf meine Seele. Gedanken kreisen. Es ist nicht alles Friede, Freude, Eierkuchen. Im Gegenteil. Mein Innenleben besteht gerade eher aus Unfrieden, Trauer und verbranntem Kuchen, um beim Bild zu bleiben…  So vieles ist da, das nicht im Reinen ist. Situationen, die ich nicht ändern kann. Menschen, die ich nicht verstehen kann. Sorge darum, was noch werden wird.

Und dass Weihnachten ein Fest der Liebe sein soll, macht die Sache nicht besser. Mein Herz packt es gerade nicht.

Weihnachten.

Plötzlich klingt etwas an in mir.  Ich denke darüber nach, wie es sich anfühlte, an dieser allerersten Weihnachten… Wie unperfekt damals die Umstände wohl waren.

Da standen einfache Hirten auf einem Feld. Mit ihren stinkigen Kleidern und den dreckigen Schafen. Ohne Besitz und ohne Perspektive. Mit leeren Händen und vielleicht auch mit leeren Herzen. Als ihnen in der Dunkelheit plötzlich ein Engel erschien und sagte:

«Fürchtet euch nicht, denn siehe, ich verkünde euch eine große Freude… Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren.»  Lukas 2, 10+11

Plötzlich fühle ich mich diesen Hirten nah. Denn diese Botschaft von Weihnachten kommt auch heute genau da rein. In mein Ringen. In mein Leiden. In mein Sorgen.

Und ich merke, dass Weihnachten besser nicht passen könnte.

Es ist, als würde Gott mir zusprechen:

«Ich sehe dich. Ich bin da. Du musst nicht zu mir kommen, sondern ich komme zu dir. Ich wurde Mensch. Und ich stehe mit dir hinein. In das, was dir Kummer bereitet. In das, was gerade schwer zu (er-)tragen ist. Ich bin dir nah. Und ich bleibe bei dir. Ich bin deine Freude. Und ich bin deine Hoffnung.»

Weihnachten ist kein Anspruch an mich.

Sondern Zuspruch.

Ich muss es nicht im Griff haben.

Ich muss nichts produzieren, was ich nicht kann.

Ich muss nichts sein, was ich nicht bin.

Sondern ich darf mit leerem Herzen vor Gott stehen.

Und Weihnachten werden lassen.

 

 

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8 Antworten

  1. Danke Janine, dass du in so treffenden Worten gefasst hast, was grad auch in meinem Innenleben in diesen Vorweihnachtstagen abgeht. Und ja: Es darf und kann trotz allem Weihnachten werden!

  2. Vielen Dank Janine. Du findest wirklich immer sehr treffende Worte. Ich habe Tränen in den Augen, wenn ich diesen Text lese. Er berührt mich sehr. Der Inhalt und auch das beruhigende Wissen: Ich bin nicht allein. Es geht nicht nur mir so. Merci!!

  3. Liebe Janine, du drückst aus, wie wohl vielen geht, auch mir in diesem Jahr. Aber du verkündest auch die frohe Botschaft von Gottes Liebe, die nichts fordert, sondern sich nur verschenkt. Das ist die Weihnachtsbotschaft und wir dürfen diese Liebe auch weiter verschenken. Ich wünsche dir ein gesegnetes Weihnachtsfest, Ankommen an der Krippe, bei Jesus, sich Freude schenken lassen und weiter geben.

  4. Jetzt ist zwar nicht Weihnachten, aber ich habe deinen Namen gerade gegoogelt aus Neugierde, wer Janine Oesch ist, die den Kommentar zum heutigen Bibeltext in Atempause geschrieben hat.😉 So kam ich auf deinen Blog und habe auch deine ‚Weihnachtsgeschichte‘ gelesen. Sie hat mein Herz sehr berührt, da ich mein Leben oft so gestalte, dass ich von mir unbemerkt immer die Aktive bin, handle, anstatt zu sehen, dass Gott in Jesus mir entgegen kommt und ich einfach Ruhen kann, mich von ihm beschenken lassen kann mit dem, was meine Seele gerade braucht. Und das ist eben passiert.🥰 Danke für deine offene ehrlich Art.

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